Süchtig nach Abenteuern und immer mobil – so lebt der erfolgreiche moderne Mensch. Doch schon 1872 fuhren zwei mutige Männer im Rausch der Geschwindigkeit einmal um die ganze Welt und das in der Rekordzeit von nur 80 Tagen: Phileas Fogg und Jean Passepartout sind die Helden des Klassikers von Jules Verne. Der kühle Geschäftsmann und der fröhliche Genussmensch bilden ein ideales Team. Sie entdecken gemeinsam fremde Länder, trotzen jeder Gefahr und machen aufregende Bekanntschaften.
Turbulent geht es auch in der Fassung von „In 80 Tagen um die Welt" auf der Bühne des Naumburger Theaters zu. Alles, was fahren kann, setzen unsere Spieler in Bewegung: Züge, Schiffe, Kutschen – und sogar einen Elefanten. Schließlich gilt es, eine Wette zu gewinnen. Und wer weiß, vielleicht stoßen unsere Helden unterwegs sogar auf die Liebe ihres Lebens und entdecken mit ihrer Neugierde, ihrer Sehnsucht und ihrem Mut, was wirklich zählt – damals wie heute. Ein Abenteuer für die ganze Familie!
Premiere am 24.11.2012
www.theater-naumburg.de
NAUMBURG. Im Theater Naumburg soll die ganze Welt auf ein Sofa passen. Möglich werden wird dies mit der neuen Inszenierung der Spielstätte, für die derzeit emsig im Salztorhaus geprobt wird. Denn im Advent wird es auf der Theatersaal-Bühne für die Zuschauer ab acht Jahren "In 80 Tagen um die Welt" gehen. In nur anderthalb Stunden soll Jules Vernes Geschichte um die verrückte Reisewette erzählt sein, die der englische Gentleman Phileas Fogg mit den Mitgliedern des Reform Clubs in London 1905 geschlossen hat.
Um die ereignisreiche Reise auf die kleine Bühne des Naumburger Theaters zu bringen, rückt Regisseur Paul Sonderegger fünf der spannendsten Ereignisse ins Rampenlicht und das mit Hilfe der drei Club-Mitglieder, die als Erzähler fungieren. Gespielt werden sie von Katja Preuß, Betty Wirtz und Soheil Bouroumand. Wie eingespielte Spots stellen sie die Scheiterhaufen-Szene, den Indianerüberfall, die Erlebnisse in Indien und Hongkong und die zwei spektakulären Überseefahrten dar. "All das wurde zudem auf ein Sofa reduziert", so Sonderegger und meint damit die Hauptkulisse, die von der Clubcouch über das Schiff bis hin zur Dampflok viele Verwandlungen vollziehen wird und somit Dreh- und Angelpunkt im Bühnenbild ist. Mit entworfen und angefertigt hat es Betty Wirtz, die zudem auch die Puppe im Stück - Detektiv Mister Fix - geschaffen hat.
Heute stößt Jürgen Salzmann zum Team dazu, der für die Reiseatmosphäre die Videoeinspielungen in die Inszenierung einbaut. Noch wird jede Szene Stück für Stück durchgespielt, viele eins ums andere Mal wiederholt, an Gestik, Mimik und Betonung gefeilt, Abläufe korrigiert, verändert und alles Neue im Regiebuch festgehalten. Dafür erhielt Sonderegger dieses Mal Unterstützung. Leon Wemhöner aus Berlin, der mit dem Gedanken spielt, zum Theater zu gehen, absolviert ein Praktikum. Während diesem übernahm er die Regieassistenz, die in dem kleinen Theater sonst in den Händen des Regisseurs verbleibt. "Die Probenzeit mit sechs Wochen ist recht knapp, wir müssen jetzt alles auf eine Höhe bringen, dass es schön wird", so Sonderegger. Ihm schwebt ein "Spektakeltheater" vor, wie Verne Aufführungen zu seiner Zeit umschrieben hat. Dafür setzt Sonderegger auf "Comic-Ästhetik im Bühnenbild".
Inhaltlich möchte er seine Inszenierung vielschichtig gestalten. Es sei schließlich kein unpolitisches Stück, meint er. Dennoch wünscht er sich vor allem, dass die Zuschauer nach dem Stück sich glücklich in ihrem Sofa zurücklehnen.
Naumburg. Wette verloren, aber eine schöne Frau, noch dazu eine Prinzessin, gewonnen. Dieses Ende hätte die Reise "In 80 Tagen um die Welt" fast genommen, wenn da nicht die Presse ins Spiel gekommen wäre. Die Times, besser gesagt, das Datum der aktuellen Ausgabe, macht nämlich dem Exzentriker Phileas Fogg klar, dass er nach der Globus-Umrundung einen Tag früher als gedacht in London eingetroffen ist: Weil er auf seinem Abenteuer-Trip die Datumsgrenze überschritten hatte. Am Ende der Premiere des Stücks am Naumburger Theater steht dann doch der triumphale Einzug des Weltreisenden, seiner geliebten Aouda und seines pfiffigen Dieners Jean Passepartout im Reform Club und der Beweis, das eine Erdumrundung in 80 Tagen möglich ist.
Wie aber die Handlung des Verne-Romans mit drei Akteuren auf die Bühne bringen, wenn doch beispielsweise das Anhaltische Theater Dessau einst für eine Inszenierung des Stücks inklusive Orchester rund 120 Mitwirkende brauchte? Immerhin führte Foggs Reise im Buch per Eisenbahn, Postdampfer, Frachter, Boot und Elefantenrücken von London über Suez, Bombay, Hongkong, Yokohama, San Francisco, New York und Liverpool zurück nach London, gibt es viele Nebenfiguren, angefangen von am Scheiterhaufen zündelnden indischen Brahmanen über Indianer, die im Wilden Westen den Zug der Reisenden überfallen, bis hin zu den Herren des Reformclubs.
Die "Quadratur des Kreises" gelang Regisseur Paul Sonderegger und dem Darsteller-Team Betty Wirtz (Prinzessin Aouda), Katja Preuß (Passepartout) und Soheil Boroumand (Fogg) durch konsequenten Verzicht auf opulente Bühnenausstattung, das Nutzen von Verfremdungseffekten und das vielfache Verwandeln der Schauspieler in verschiedene Charaktere. Eine entfernt an ein Sofa erinnernde Kiste wird je nach Situation zum Schiff, zur Eisenbahn oder auch zum Elefanten. Der Fogg als vermeintlichen Bankräuber verfolgende Inspector Fix ist eine (größtenteils) von Betty Wirtz geführte Puppe. Das ganze wird mit Slapstick-Elementen und viel Spielwitz serviert. So, als bei stürmischer See der Titanic-Song "My Heart Will Go On" erklingt und Wirtz vor Boroumand in Kate-Winslet-Pose mit ausgebreiteten Armen am Bug des "Dampfers" steht.
Und noch einem ist die am Ende mit lautstarkem Dauerapplaus belohnte gelungene Premiere zu verdanken: Jürgen Salzmann. Der Videokünstler liefert nämlich Komparsen und die große weite Welt per Projektion frei Haus: Indianer und schwirrende Pfeile, Tiger im Dschungel oder Städte-Bilder.
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