Ein verzwickter Fall: Die schöne Adelheid ist mit Friedrich von Goseck verheiratet. Doch liebt sie heimlich Ludwig, den Grafen von Thüringen. Ein Unglück verändert die Lage: Als Friedrich aus der Badewanne steigt, um den „wildernden“ Ludwig zu vertreiben, wird er selbst ermordet. Ludwig kommt in Haft, kann sich aber mit einem sagenhaften Sprung in die Saale befreien. Glücklich vermählt, erbauen Ludwig und Adelheid die Neuenburg. So sagt die Legende. Doch ist mitnichten klar, ob sich die Geschichte vor fast 1000 Jahren so abgespielt hat. Offene Fragen gibt es viele: Wer war nun der Mörder Friedrichs? Kann es wirklich sein Nebenbuhler Ludwig gewesen sein? Welche Rolle spielte Adelheid, als ihr ungeliebter Gemahl Friedrich sich ein Bad in der Wanne genehmigte? Und: war Ludwig der Springer wirklich ein begnadeter Athlet, so dass er seinen Beinamen zu recht erhielt?
Diesen Fährten folgt ein Ermittlerteam, um Licht ins Dunkel der Ursprünge der Neuenburg zu bringen. Rainer Lewandowski schrieb das „historische Vergnügen“, wie er es nennt, eigens für das Theater Naumburg zum Weltkulturerbeantrag der Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut. Und er zeigt damit, wie aufregend Geschichte sein kann. Paul Sonderegger inszeniert das Freilichtspektakel als unterhaltsamen Krimi. Aufgeführt wird das Stück am Originalschauplatz der Handlung, der geschichtsträchtigen Neuenburg in Freyburg/Unstrut.
Ein Saale-Unstrut-Krimi von Rainer Lewandowski
URAUFFÜHRUNG am 17.05.2014 auf Schloss Neuenburg in Freyburg/Unstrut
Für den Neuenburg-Krimi "Dame und Springer" laufen derzeit die Proben in Naumburg.
Auch für eine Theaterprobe kann es eine Premiere geben. Dort, wo ausschließlich an größeren Bühnenkulissen für das Theater Naumburg gesägt, geschraubt und gehämmert wird, also in der Atelier-Werkstatt im kleinen Salztorhaus direkt vorm Stadtarchiv, wird derzeit genäht. "Zusammengenäht", wie Regisseur Paul Sonderegger den Stand der Theaterproben umschreibt. In der fünften Probewoche setzt er nun mit den Schauspielern die einzeln erarbeiteten Szenen zum kompletten Saale-Unstrut-Krimi "Dame und Springer" zusammen. Und das erstmals in diesem der zwei Salztorhäuser, weil dort die große Drehbühne zusammengebaut wurde, auf der sich der Krimi um die Ermordung des Friedrich von Goseck vor dem Publikum abspielen wird. Dann allerdings unter freiem Himmel in Freyburg im Hof der Neuenburg und ab Juni für drei Vorstellungen am Löwendenkmal in Bad Kösen. Und nur für diese zwei Standortwechsel soll die 400 Kilogramm schwere Drehbühne noch einmal auseinandergebaut werden.
Paul Sonderegger (v.l.) bei den Proben mit Anna Elisabeth Vogelsang, Katja Preuß und Peter Schulze-Sandow. Foto: Nicky Hellfritzsch
Auf ihr wird die gut 1000 Jahre alte Geschichte über den Mord an Friedrich von Goseck gespielt. Friedrich war einst mit der schönen Adelheid vermählt, die jedoch Ludwig, den Grafen von Thüringen, liebte. Als Friedrich aus der Badewanne steigt, um den angeblich wildernden Ludwig zu vertreiben, fällt er einem Mord zum Opfer und die Tat auf Ludwig zurück. Dieser wird in der Burg Giebichenstein eingesperrt, aus der er sich aber befreien kann. Nachdem Ludwig seine Adelheid geheiratet hat, baute er sich mit ihr ein Nest: die Neuenburg. So heißt es jedenfalls. Weil diese Geschichte wegen der dünnen Faktenlage viel Raum für Spekulationen und viele Fragen offen lässt, ist sie perfekter Ausgangsstoff für ein Theaterstück.
Für dieses griff Rainer Lewandowski zur Feder. Blatt für Blatt entstand ein unterhaltsamer Krimi. Beraten wurde er dabei von Neuenburg-Museumsdirektor Jörg Peukert. "Er ist eine Fundgrube an Wissen", so Sonderegger. So erzählte Peukert ihm auch vom rätselhaften Haingott, der über dem Löwentor thront. Weil der steinerne Zeitzeuge aus keltischer Zeit die Dreiecks-Geschichte miterlebt hat, baute ihn Lewandowski in das Stück mit ein als Gehilfen eines im Dunklen stochernden Kriminalisten, der die Mord-Ermittlungen leitet und dafür die verschiedenen Szenen rund um den Mord immer wieder in neuen möglichen Varianten durchspielt.
"Die Machtspiele, die Konstellationen sind spannend. Mit Heiraten wurde einst Politik gemacht, so entstanden die Länder wie Sachsen-Anhalt. Unser Stück greift also die Gründungskonstellation für die Saale-Unstrut-Region auf", sagt Sonderegger. Diese Konstellationen kitzelt er mit den Schauspielern in der Probe heraus. "Es ist spannend zu schauen, wo die Konflikte liegen", so der Regisseur, der keinen klassischen Krimi auf die Bühne bringt, sondern ein unterhaltsames, augenzwinkerndes Freilichtspektakel. Dafür bedient er sich verschiedener Stilmittel. Drei große musikalische Nummern sorgen für einen Hauch Musical.
So stehen nun zur Salztorhaus-Probe Katja Preuß und die Gastschauspieler Anna Elisabeth Vogelsang und Peter Schulze-Sandow erstmals auf der Drehbühne, die übrigens die damalige Weltanschauung, die Welt sei eine Scheibe, symbolisiert. Weil sowohl auf als auch in der Bühne Requisiten verstaut sind, geht es auch darum, sich auf ihr zu orientieren. Angesichts des Bühnenaufbaus meint Sonderegger scherzend: "Ich hoffe, wir können unfallfrei proben". Und ab Montag, wenn die Bühne im Schlosshof aufgebaut ist, hoffentlich auch mit dem derzeit noch kranken Soheil Boroumand.
SCHLOSS NEUENBURG Das Theater Naumburg zeigt auf der Feste über Freyburg die historische Krimi-Komödie "Dame und Springer" als Uraufführung.
Freyburg/MZ - Nichts Genaues weiß man nicht. Nur so viel scheint gewiss: Friedrich der Springer (1042-1123), der das Geschlecht der Thüringer Landgrafen begründete, hat Pfalzgraf Friedrich von Goseck 1085 umbringen lassen und dessen Witwe Adelheid geehelicht. Geschah das Verbrechen aus politischem Kalkül oder aus Liebe - oder war es eine Mischung aus beidem? Und: wer war der Täter? Der Gärtner ist auszuschließen, weil wir uns in den adligen Kreisen des 11. Jahrhunderts bewegen.
In dem Krimi-Drama "Dame und Springer" wird mit durchweg humoristischen Mitteln versucht, Licht ins Dunkel der legendären Bluttat zu bringen. Zu sehen ist es als Open-Air-Spaß auf Schloss Neuenburg bei Freyburg. Das Boulevard-Stück vor mittelalterlichem Hintergrund schrieb Rainer Lewandowski für das Theater Naumburg.
Eine Herausforderung für alle vier Bühnenakteure, die insgesamt zwölf Rollen übernehmen und in diesen sprechen (hervorragend), singen (gut) und tanzen (naja). Die Neuenburg wurde als Spielort ausgewählt, weil sie, ebenso wie die Wartburg im Westen des einstigen Grafenreiches, eine Gründung von Ludwig dem Springer sein soll.
Die Handlung setzt 1081 ein: Adelheid von Stade (Katja Preuß) wird von ihrem Vater Lothar (Soheil Boroumand) eröffnet, dass er gedenkt, sie mit Friedrich III. von Goseck zu verheiraten. "Wie, ich soll in die sächsischen Sümpfe?", ruft Töchterlein entgeistert aus. Im Gegenteil, erwidert Lothar, blühende Landschaften erwarten sie im Osten, an Saale und Unstrut.
Diese exotische Welt ist eine weiße Scheibe (Ausstattung: Susanne Ruppert), die sich dreht, über sechs Stufen und zwei Vertiefungen verfügt. Dem Weniger an Ausstattung - die Kettenhemden der Ritter etwa sind aus Isomatten gefertigt - halten die Akteure um Regisseur Paul Sonderegger ein Mehr an Spielfreude entgegen.
Ulf Kehlbrand-Segeberg (Peter Schulze-Sandow) - die Nähe zum Royals-Fachmann Rolf Seelmann-Eggebrecht kommt nicht von ungefähr - ist ein gut vernetzter Hofberichterstatter, der es Dank rhetorischer Geschmeidigkeit versteht, dem Adel am Mikro allerlei Petitessen zu entlocken, die besser ungesagt blieben. So auch, dass Adelheid mit ihrem Gemahl alles andere als Liebe verbindet: Friedrich von Goseck (Anna Elisabeth Vogelsang) entpuppt sich als Langweiler, die Ehe als Desaster. Aber Ludwig (Soheil Boroumand), das ist ein Mann nach Adelheids Geschmack: "Ich bin für euch bestimmt", säuselt die weiße Dame zart. "Adelheid, ach Adelheid!", haucht Ludwig. Beide sind bereit, über Leichen zu gehen, um zueinander zu kommen. Die Leiche wird dann Graf Friedrich sein.
Eine Mordsgeschichte: Adelheid (Katja Preuß) ist Ludwig (Soheil Boroumand) innig zugetan. Ob sie Mörder sind, wollen Kehlbrand (Peter Schulze-Sandow) und Haingott Uriah (Anna Elisabeth Vogelsang) ermitteln.
Als ruchbar wird, dass Adelheids Gatte von Unholden gemeuchelt wurde, nimmt Journalist Kehlbrand die Ermittlungen auf. Die Schiebermütze, die er als Kriminalist fortan trägt, erinnert, in Verbindung mit seiner knielangen Hose, an den Comic-Detektiv Nick Knatterton. Kehlbrand zur Seite steht als Assistent jener Haingott Uriah (Anna Elisabeth Vogelsang), dessen Abbild seit Jahrhunderten über die Neuenburg wacht.
Bevor Forensik und Kriminalistik bemüht werden, soll die historische Überlieferung befragt werden: Kehlbrand sucht zu diesem Zweck Carl Peter Lepsius (Soheil Boroumand) auf. Der war nicht nur der Vater des Ägyptologen Carl Richard Lepsius, sondern nach 1800 als Naumburger Landrat und Historiker ein Politiker und Gelehrter von Format. Dass Lepsius in der leicht zu imitierenden Diktion des im vergangenen Jahr verstorbenen Marcel Reich-Ranicki sprechn muss, sorgt im Publikum zwar für Heiterkeit, wird aber weder Lepsius noch MRR gerecht.
Da sich die Chroniken über den Mörder von Freiedrich ausschweigen, ist doch kriminalistische Detailarbeit notwendig: Ludwig und Adelheid müssen deshalb ihre Version des Geschehens in der Tatnacht, also ihr Alibi, präsentieren. Und so spielen beide - in des Wortes doppelter Bedeutung - ihre Unschuld. Mit dem Unterschied, dass Adelheid zwischendurch noch einen fetten Rap über die Rolle der Frau im Mittelalter hinlegt und aus Heinrich von Veldeckes "Eneas"-Dichtung rezitiert, die zu Teilen auf der Neuenburg entstand.
In Brecht'scher Manier treten die Akteure wiederholt aus ihren historischen Rollen heraus und verkörpern zeitgenössische Schauspieler. Wenn auf Ludwigs hartnäckiges Rufen hin kein Domestik erscheint und Adelheid vergeblich auf den von ihr gedungenen Gattemörder wartet, ist Gelegenheit, die unhaltbaren Zustände zu beklagen: "An einem größeren Theater hätte meine Intrige funktioniert", greint Adelheid. Soll heißen: es fehlt schlicht an Darstellern.
Und an so einer Bühne wie der Naumburger ohnehin, die bekanntlich das kleinste deutsche Stadttheater ist. Ob Ludwigs und Adelheids Klage aber bis nach Magdeburg dringt, ist wenig wahrscheinlich. Das dürfte aber weniger an den dicken Mauern der fast 1000 Jahre alten Neuenburg liegen, sondern eher an der schalldicht isolierten Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt.
Graf Friedrichs Mörder kann am Ende - natürlich - nicht präsentiert werden. Bleibt der Täter auch unerkannt, verlässt man nach 90 Minuten dennoch mit dem angenehmen Gefühl die Burg, wirklich köstlich unterhalten worden zu sein!
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