Theaterperformance für einen Schauspieler
und Video/Audio-Installation
nach autobiografischen Texten von
NORMAN DOUGLAS
Premiere am 27. September 2008
Villa Falkenhorst, Thüringen/Österreich
Sprechtheater Berlin
Er war eine der schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zeit: Norman Douglas (1868-1952), Nachkomme einer schottischen Industriellenfamilie aus dem österreichischen Vorarlberg, prominenter Schriftsteller, scharfsinniger Denker, passionierter Reisender, Lebemann, Genießer, zeitweise Diplomat, zwischenzeitlich Familienvater. Erzogen in der Tradition der britischen Oberschicht, akzeptiert er die gesellschaftlichen Normen und Konventionen seiner Zeit schon bald nicht mehr. Sein Leben lang versucht er konsequent und radikal nach eigenen Vorstellungen zu leben, individuell, frei, unangepasst. Seine Diplomatenkarriere muss er beenden, weil eine seiner Geliebten in St. Petersburg ein Kind von ihm erwartet. Douglas verlässt Russland. Trotz zahlreicher Affären mit Frauen fühlt sich Douglas zugleich zu jungen Männern und Knaben hingezogen, eine Liebe, die in seiner Zeit unter Strafe steht, mit einem gesellschaftlichen Tabu belegt ist.
Die Freiheit, die Douglas meint, findet er wie so viele Zeitgenossen auf Capri. Doch das erhoffte Glück am Sehnsuchtsort im Golf von Neapel ist gefährdet. Es gibt Enthüllungen, Skandale, Gerichtsverfahren, Pressekampagnen. Prominenz und auch Geld schützen nicht vor Verfolgung. Der Industrielle Friedrich Alfred Krupp gerät durch einen Denunzianten in Bedrängnis, ein Skandal wird entfesselt. Oscar Wilde ist Jahre zuvor in England eingekerkert worden. Krupp und Wilde zerbrechen an den Widerständen. Norman Douglas wird sehr vorsichtig. Er lebt in einem Spannungsfeld zwischen äußerlicher Anpassung und privater Anarchie.
Wer war dieser Norman Douglas? War er ein Glücksucher, der sich Teile seiner Träume verwirklichen konnte? War er ein Getriebener, der vor sich selbst floh? War er ein kauziger britischer Snob? War er ein selbstverliebter Egoist, der sich der Annehmlichkeiten und der Privilegien seiner Stellung in einem tradierten System nur zu gerne bediente, das er andererseits so vehement ablehnte? Wie viel Freiheit hat das Individuum eigentlich? Wo liegt der schmale Grat zwischen berühmt und berüchtigt?
FLUCHTPUNKT CAPRI bringt Leben und Werk von Norman Douglas erstmals auf die Bühne. Ein riskantes Leben, hin- und hergerissen zwischen Zwängen und Begehren. Douglas' autobiografisches Werk ist ein Plädoyer für die Freiheit des Individuums. Oder wie Graham Greene es formulierte: "Douglas lebte ein Leben voller Verständnis und Toleranz, ohne jemals die geringste falsche Scham gekannt zu haben. Doch auch seine größte Nachsicht hatte ihre Grenzen. Er liebte das Leben zu sehr, um Geduld mit Tugendaposteln und Eiferern zu haben."
Paul Sonderegger hat Norman Douglas seine sexuelle Identität zurückgegeben.
Martin Dannecker, Sexualwissenschaftler
Die Zeit ist reif für Norman Douglas. Der Berliner Schauspieler Paul Sonderegger hat ein experimentelles Stück über den britischen Reiseschriftsteller entwickelt. Ein Leben wie ein fesselnder Roman.
Eckhard Weber, Siegessäule Berlin
Dem Dichter hätte Paul Sondereggers literarisch-theatralische Portrait-Skizze gefallen; und vor allem: er hätte sich verstanden gefühlt.
Gesche Schmoll, Kulturradio vom Rundfunk Berlin-Brandenburg
„Fluchtpunkt Capri“ zeigt Faszination, Widerspruch und Tragik eines Künstlers, der eine der schillerndsten Personen seiner Zeit war. Eine immer wieder überraschende Reise in eine vergangene Epoche, in ein Italien, das für viele Land ihrer Sehnsüchte war.
Cleo Klinger, Berliner Abendblatt
Spannend, pointiert, scharfsinnig, bisweilen auch witzig... Es ist gut gelungen, Douglas einem Publikum nahe zu bringen, das nichts von ihm kennt. Das Stück zeigt Douglas auf lebendige Weise als Menschen, als Getriebenen, als Individualisten, der einzig sein Leben lebt und sich wenig um andere schert. Und man merkt, dass Paul Sonderegger sich viel mit Douglas beschäftigt hat um sich ihm anzunähern.
Ulrich Schuch, Herausgeber "Il gabbiano di Capri"
Mir hat einmal mehr gefallen, mit welcher Intelligenz Paul Sonderegger an eine solche Aufgabe herangeht. Es ist beim gegenwärtigen Stand der "Interpretation" bemerkenswert, dass auf Inhaltliches Wert gelegt wird.
Urs Leicht, Theatermacher
In der Villa Falkenhorst in Thüringen fand sich kürzlich die "Fangemeinde" eines Vorarlberger Künstlers ein, der vor mehreren Jahren das Ländle verlassen hat (vielleicht "too small"?), aber familiär immer noch fest in Vorarlberg verwurzelt ist - Paul Sonderegger, 1968 in Rankweil geboren und in Berlin als prominenter Schauspieler und Sprecher bzw. Rezitator hoch geschätzt. Sein Einpersonenstück mit biographischem Konnex zur Villa Falkenhorst präsentierte der Künstler mit viel Engagement.
Es war dem eigenwilligen, schillernden und moralisch nicht unumstrittenen, in dieser Villa geborenen berühmten Reiseschriftsteller George Norman Douglas (1868- 1952) gewidmet, dessen Vater Schotte und begeisterter Erforscher seiner Wahlheimat Vorarlberg war, aber jung am Berg verunglückte. Die Mutter, eine deutsch- schottische Adelstochter, heiratete in zweiter Ehe den bürgerlichen Landschaftsmaler Jakob Jehly, die spätere Schriftstellerin Grete Gulbransson- Jehly wird Normans Halbschwester.
Der bühnenpräsente Schauspieler Paul Sonderegger zeigte dem Publikum in Mimik, perfekter Diktion und flexibler Verwandlungskunst die zahlreichen Facetten des einst berühmten Douglas (Motto: "Fluchtpunkt Capri"). Er kannte die Kulturgrößen seiner Zeit, diese kannten den eleganten Herrn als beliebten Reiseschriftsteller (Roman "South Wind", 1917 etc.), Diplomaten, Frauenhelden, aber auch - späteren Homosexuellen bzw. Päderasten mit Gefängniserfahrung… Nichts Menschliches war ihm eben fremd. Ein unkonventioneller Freigeist und Kämpfer gegen jeden Puritanismus, der alle damaligen Tabus brach.
Der Roman "South Wind" ist ein einzigartiges Sittenbild der Insel Capri, Norman Douglas wird die letzten Lebensjahre dort verbringen und stirbt 1952. Paul Sonderegger überraschte nebst biographischen Texten von Douglas auch immer wieder mit dessen haarscharfen Aphorismen, die er am Schluss auf Zettelchen auch verteilte. Norman Douglas - (die Douglas- Hütte in Vorarlberg erinnert permanent noch an ihn) fand in Sonderegger gewiss einen authentischen Interpreten.
Der Berliner Schauspieler Paul Sonderegger hat eine Performance für einen Schauspieler mit Video und Audio-Installation nach autobiografischen und literarischen Texten von Norman Douglas entwickelt und vielfach aufgeführt. Die Inszenierung ist gefördert vom Land Vorarlberg und unterstützt von der Norman Douglas Forschungsstelle der Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz. Wir haben in der Möwe Heft 47, S. 4 bereits kurz berichtet.
Daß Norman Douglas zum geistigen und kulturellen »Inventar« Capris gehört, wissen die Leser dieser Zeitschrift. Es ist aber ein sehr großes und ambitioniertes Unterfangen, dem übrigen Publikum – erst recht dem deutschsprachigen – einen Autor nahe zu bringen, der mehr als 50 Jahre tot ist, von dem es kaum deutschsprachige Buchausgaben gibt und der selbst in England kaum mehr bekannt ist. Dr. Wilhelm Meusburger und seine Norman Douglas Forschungsstelle leisten mit den neu herausgegebenen deutschsprachigen Buchausgaben und der Briefedition unglaubliche Pionierarbeit, die man nicht hoch genug einschätzen kann. Paul Sonderegger geht mit seiner Text-Collage den Weg des engagierten Schauspielers, der einem Publikum, das Douglas nicht kennt, den Autor näher bringen möchte – und zwar als Mensch.
Die Redaktion hat die Aufführung zweimal gesehen und ist sehr beeindruckt, wie gut Paul Sonderegger dies gelungen ist. Ein Ein-Personen-Stück ist naturgemäß textlastig, erst recht, wenn es um einen Schriftsteller geht – und etwa 90% des Stückes sind Originalton Douglas, aus seiner Autobiographie, verschiedenen anderen Büchern und Briefen zusammengefügt. Mit ganz einfachen Mittel, wie Bild- und Viedeoprojektionen im Hintergrund, einem Tisch, einer Lampe, einem Liegestuhl, zwei verschiedenen Hüten etc. gelingt es Sonderegger, eine überaus anregende und interessante Aufführung auf die Bühne zu bringen, die ein Lebens- und Persönlichkeitsbild von Douglas zeichnet, mit Höhen und Tiefen, Ängsten und Bedrohungen, spannend, pointiert, scharfsinnig, bisweilen auch witzig. "Die Aufgabe des Lebens besteht darin, sich selbst zu genießen, alles andere ist Gaukelei" sagt Douglas. Und Graham Green schreibt über ihn: "Douglas lebte ein Leben voller Verständnis und Toleranz, ohne jemals die geringste falsche Scham gekannt zu haben. Aber selbst seine größte Nachsicht hatte eine Grenze. Er liebte das Leben zu sehr, um Geduld mit Tugendaposteln und Eiferern zu haben." Sonderegger läßt Douglas aus seinem Leben erzählen, die Kindheit im Vorarlberg, die Schule in Karlsruhe, der Aufenthalt in St. Petersburg, die ersten Erfahrungen mit Frauen, Reisen, dann Neapel, Süditalien, Capri.
Ganz besonders charakteristische Zitate werden hervorgehoben, indem Sonderegger kleine Kärtchen hervorzieht und sie vorliest. Am Ende der Vorstellung wird er diese ans Publikum verschenken "Original Norman Douglas zum Mitnehmen für Sie". Einige Kostproben: "Der Geist des Neuen ist von aphrodisierender Natur, ungekostete Früchte immer die besten, noch besser gestohlen, denn gekauft." "Wenn Menschen aufhören zu reflektieren, werden sie Idealisten." "Man muß ein Auge zudrücken, um einen Freund zu finden, und beide, um ihn zu behalten." Während im Hintergrund auf der Leinwand Capri vorbeizieht, erzählt Douglas/Sonderegger u.a. von Krupp und vom übereleganten, koksenden Baron Fersen und seiner Villa. Eine andere Szene zeigt Douglas beim Schreiben eines Briefes an seinen Sohn, wo das Frauenbild deutlich wird ("alle Frauen sind Vampire") und er Anweisungen zum Umgang mit Frauen gibt ("laß Dich nicht rumkriegen"). Auf keinen Fall solle der Sohn Amerikanerinnen oder geschiedene Frauen heiraten. Und er schließt: "letztendlich geht nichts über Jungfrauen, männliche oder weibliche." Auch der Mißbrauchsvorwurf gegen Douglas und die Untersuchungshaft werden nicht ausgespart in dem Stück. Douglas wird von der privaten Seite gezeigt und damit der Zugang erleichtert.
Sonderegger schrieb der Redaktion: "Genau deswegen habe ich das Stück gemacht. Eine so ambivalente Persönlichkeit schreit geradezu nach Darstellung auf der Bühne. Wobei mich nicht die moralische Bewertung (Verurteilung oder Bagatellisierung) des historischen Douglas interessiert, sondern der klare Blick auf moralische Grenzen heute und den Umgang mit Tabus. Es steckt viel drin in dem Stück – und das unvoreingenommene Publikum äußerte sich ausnahmslos positiv. Das haben die Nachgespräche gezeigt, die ich an jede Vorstellung angeschlossen habe. Das Interesse, mehr über Douglas zu erfahren, war beeindruckend."
Es ist Sonderegger außerordentlich gut gelungen, Douglas einem Publikum nahe zu bringen, das nichts von ihm kennt. Das Stück zeigt Douglas auf lebendige Weise als Menschen, als Getriebenen, als Individualisten, der einzig sein Leben lebt und sich wenig um andere schert. Das macht Lust, mehr von diesem Autor zu lesen und zu erfahren.
Douglas: "Das Geheimnis des Glücks ist die Neugier. Suche Meisterstücke nicht in Galerien, sondern auf Straßen." Bisweilen findet man Meisterstücke auch auf der Bühne. Paul Sondereggers Stück "Fluchtpunkt Capri" ist ein solches.
Näheres zur Aufführung finden Sie im Internet unter www.sprechtheater-berlin.de (dort ist auch ein Video-Trailer mit einigen Szenen zu sehen).
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