Ein islamistischer Terrorist hat ein Flugzeug unter Kontrolle gebracht und angekündigt, in ein vollbesetztes Fußballstadion zu fliegen. Die deutsche Luftwaffe ist schnell zur Stelle und versucht, die Tat zu verhindern. Doch auf Abdrängversuche und Warnschuss reagiert der Entführer nicht, weitere Nachrichten dringen nicht aus dem Flugzeug. Der Verteidigungsminister gibt, einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts folgend, das Flugzeug nicht zum Abschuss frei. Der Flugzeugpilot des Abfangjägers entscheidet selbst. Er opfert 164 Passagiere, um 70.000 Stadionbesucher zu retten.
Nun steht er vor Gericht. Die Anklage lautet: Mord in 164 Fällen. Das Stück ist eine Gerichtsverhandlung und die Zuschauer müssen entscheiden. Sie werden zu Schöffen, die am Ende der Verhandlung abstimmen. Ist der Pilot ein Mörder? Dürfen wir Unschuldige töten, um andere Unschuldige zu retten? Ist es eine Frage der Zahl? Was gilt mehr, Menschenleben oder Menschenwürde?
Ferdinand von Schirach ist Strafverteidiger und Autor. Mit seinem ersten Ausflug zur Bühnenliteratur gelingt ihm auf Anhieb ein Stück, das ganz Deutschland bewegt. Das Theater Ansbach begibt sich für dieses Stück an einen authentischen Spielort: Das Landgericht an der Ansbacher Promenade.
Premiere am 7. April 2017
im Landgericht Ansbach
www.theater-ansbach.de
…Muss man sich Ferdinand von Schirachs Gerichtsstück "Terror" anschauen? Ja, doch. In Ansbach unbedingt. Denn die Inszenierung ist integer und der Spielort ideal. Im Schwurgerichtssaal des Ansbacher Landgerichts funktioniert "Terror" als Diskussionsbeschleuniger blendend gut…
Die Kunst der Inszenierung liegt in ihrer scheinbaren Kunstlosigkeit, in ihren realitätsnahen Tonfällen. Paul Sonderegger führt Regie, als wollte er sich unsichtbar machen. Das ist genau das Richtige für ein Stück, das nicht mehr als ein Gedankenexperiment in Prozessform sein soll…
Paul Sonderegger lässt die Schauspieler dezent psychologisierend agieren. Dieser Prozess ist aber kein Gerichtsdrama, in dem Biographien und Charaktere ausgelotet werden, es geht allein um den Fall und seine rechtsphilosophischen Problemstellungen. So ist denn keine Figur auserzählt und doch gibt jede einiges von sich preis – im Guten wie im Schlechten, was sie interessant macht.
Die unerträglichen Widersprüche. Und dass sie uns trotzdem fesseln. Mit einfachsten Mitteln konstruiert der Autor ein verstörendes Gedankenspiel von verblüffender Wirkung. Da interessiert mich die Klarheit im Chaos, der Durchblick in der Überforderung.
Kein Theater zu spielen! Das würde sofort die Illusion des Authentischen zerstören. Wir wollen keine Gerichts-Show, sondern konkrete Auseinandersetzung. Schirach sagt: die Zuschauer sollen vergessen, dass sie eigentlich im Theater sitzen.
Die Gretchenfrage! Die ich verweigern muss. Wie langweilig wäre Theater, wenn wir unserem Publikum die Antworten vorgäben. Was ich sagen kann: es gibt plausible Argumente für beide Urteilssprüche. Mein Tipp: gründlich nachdenken und dann entscheiden, auch wenn's schwer fällt. Es hilft, mit Freunden darüber zu diskutieren!
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